Ich berichte über unsere Erfahrungen mit unserem Antrag beim Familiengericht auf Umgang mit unseren beiden Enkelkindern.
Der Kontaktabbruch mit der Tochter (damals 30 J., alleinerziehend, zwei Kinder, damals 5 Jahre und 7 Monate) traf uns völlig unerwartet (wie üblich) im Juli 2017. Alle Versuche, miteinander ins Gespräch zu kommen, blieben ergebnislos. Im Juni 2018 haben wir unseren Antrag beim zuständigen Familiengericht gestellt.
Dabei war es juristisch von Vorteil, dass wir für das ältere Enkelkind in erheblichem Umfang zuvor Verantwortung übernommen hatten.
Ein Nachteil war die räumliche Entfernung. 600 km trennen beide Familien.
Zwar gibt es keinen Anwaltszwang, aber man blickt als Laie durch die Formalien, die beachtet werden müssen, nicht durch. Wir haben auf Anraten einer Freundin („nehmt meinen Cousin, der hat gerade fertig studiert“) einen jungen, kaum erfahrenen Anwalt beauftragt. Unsere Erwartung, dass ein junger Anwalt engagierter wäre, wurde nicht enttäuscht. Es stellte sich dann später heraus, dass unsere Entscheidung noch in anderer Hinsicht richtig war. Da er vom Alter her näher an unserer Tochter war als an uns, konnte er sich besser in sie einfühlen als in uns. Das hat die Weichen richtig gestellt.
Natürlich haben wir vor und während des Verfahrens mehrfach das zuständige JA angeschrieben – ausführlich, höflich, freundlich, sozialpädagogisch kompetent. Es kam nie eine Antwort. Das Jugendamt muss natürlich allein aus juristischen Gründen angeschrieben werden. Aber wenn ich vorher gewusst hätte, wie vergeblich es ist, hätte ich nicht Stunde um Stunde mit den Formulierungen gerungen.
Nach dem Austausch einiger Schriftsätze wurde die erste gerichtliche Verhandlung für Oktober 2018 festgesetzt. Kurz bevor es dazu kam, haben wir eine gerichtliche Mediation beantragt. Zu unserer großen Erleichterung hat die Tochter zugestimmt.
Uns war nicht klar, wie viele gerichtliche Mediationstermine es geben würde, und ich fürchte, unserem jungen Anwalt auch nicht. Wir dachten, das geht so lange, bis sich alle einig sind, und der Anwalt hat das bestätigt. Aber dann bin ich auf die Idee verfallen, eine außergerichtliche freie Mediatorin zu engagieren, Kontakt zu unserer Tochter aufzunehmen, indem sie bei ihr einfach vor der Tür stand (zur Erinnerung: 600 km Entfernung zwischen beiden Familien). Das war vielleicht etwas unkonventionell und auch teuer, aber es hat sich als richtig erwiesen. Sehr kurzfristig haben wir dann den gerichtlichen Mediationstermin am 18.12.2018 erst mal aufgeschoben. Dabei sagte mir die gerichtliche Mediatorin, es würde maximal zwei Termine für die gerichtliche Mediation geben, dann entscheidet der Richter. Und sie sagte, „selbstverständlich“ würde bei diesen Terminen die Anwältin der Tochter zugegen sein. Wir wären – selbstverständlich – ohne Anwalt gekommen.
Während also das gerichtliche Verfahren für fünf Monate ruhte – so viel Zeit gab uns die gerichtliche Mediatorin -, fanden vier Mediationstermine mit der freien Mediatorin statt. Die kostet 90 Euro die Stunde, plus Bahn- und Hotelkosten für uns.
Wir entschieden uns, die Mediation ohne mich zu beginnen, nur der Papa bzw. Opa sollte fahren. Allerdings stand ich in regem Kontakt mit der Mediatorin per Smartphone und Email, und ich saß bei allen vier Terminen anrufbereit neben dem Smartphone. Schon nach dem zweiten Termin hatte der Opa 600 km weiter entfernt unbeschwerten langen Kontakt zu den Enkelkindern und zur Tochter natürlich auch. Aber noch zum dritten Termin lehnte die Tochter meine persönliche Teilnahme ab, und ihr Anruf kam erst zum vierten und letzten Termin.
Es gab dann eine schriftliche Vereinbarung über Umgangstermine mit den Enkelkindern, die von allen Mediations-Beteiligten unterzeichnet und dem Gericht hingereicht wurde. Wir beantragten, die Verfahrenskosten gegeneinander aufzurechnen.
Der Kontaktabbruch ist damit überwunden. Vorläufig. Das ist wie bei einer chronischen Erkrankung. Alle müssen lernen, mit der Bedrohung zu leben, und der aktuelle status quo, dass man miteinander telefoniert und sich ab und an trifft, kann jederzeit wieder entgleisen.
Vor Antragstellung bei Gericht dachte ich, schlimmer kann es nicht mehr kommen, und sowohl die Enkel als auch wir verstoßenen Großeltern haben nichts zu verlieren. Aber in den Monaten nach Antragstellung haben wir uns viele Male in die Gemütlichkeit des Zustands im Kontaktabbruch zurückgesehnt. Man weiß ja, wir leben in einer Gesellschaft, in der, vereinfachend gesagt, die Jungen alles gelten und die Alten nichts. Das heißt, vereinfachend gesagt, die Aussage eines jungen Menschen ist glaubwürdig, die eines alten nicht; die Motive eines jungen Menschen sind lauter, die eines alten nicht. Man weiß auch, seit etwa fünfzig Jahren wird ständig eine neue Sau durchs Dorf getrieben, mit welchen Diffamierungen Eltern erwachsener Kinder mundtot zu machen sind, und wie ihnen die Verantwortung für jedes Ungemach, das den erwachsenen Kindern widerfährt, aufgehalst werden kann. Wir haben gedacht, wir hätten schon alles an Grausamkeiten und unqualifiziertem Geschwätz durchlitten, was man uns von sozialpädagogischen „Fachleuten“ als Großeltern nur zumuten könnte. Heute weiß ich, es bestehen viele Steigerungsmöglichkeiten. Es gab mehr als einen Moment, in dem ich das ganze Verfahren hinwerfen wollte, und es gab mehr als einen Tag, an dem ich krank im Bett lag oder mein Mann, der Opa.
Dennoch war es richtig, dass wir uns ans Familiengericht gewandt haben, weil sonst nichts passiert wäre. Ob ich diesen Schritt anderen Betroffenen empfehlen kann, weiß ich nicht. Der Stress, der dann auf einen zurollt, ist heftiger als der quälende Zustand des Kontaktabbruchs zuvor. Jeder muss prüfen, ob er dem gewachsen ist.